Mittwoch, 21. Oktober 2009

Ist hier g'rad Wachwechsel im Meinungsführerzirkus?

Ich habe jetzt erstmals Zeit gefunden mich durch die Postings rund um den "Internet-Ist-Parasitär-Sager" von Armin Thurnher durchzuklicken. Eine Menge Aufregung! Auf einem ISPA-Podium verschafft sich Thurnher ein bissl Luft und polemisiert in Richtung Internetgeneration freudig drauf los. Narzisstische und hysterische Störungen, gesteigerte Kommunikationsunfähigkeit und überhaupt ein rüpelhaftes Verhalten werden da als Kennzeichen des/der "digital natives" munter von Thurnher in's Treffen geführt - befeuert vom Uraltargument, dass die so genannten Webmedien nicht jenen journalistischen Maßstäben genügen die sie zu echten Publizistikprodukten machen. Ja, weiter noch, diese Parasiten der Medienlandschaft arbeiten auf Kosten der klassischen Medien - sie schreiben dort ab, recherchieren nicht selbstständig und ruinieren obendrein noch den journalistischen Markt. Die Argumentationsline ist einfach schon alt: Das haben schon die Printleute über die Radio-Leute, die Radioleute über die TV-Leute und die Zeitungsleute über die Magazinleute gesagt. Mein Gott - es ist halt Meidenmix da draußen!

1000mal gehört, 1000mal ist nix passiert! Und doch: In irgendeinem Saure-gurken-zeit-glas ist dann ein Sturm ausgebrochen. Ein Welle der Empörung tickert durch die Blogosphäre. Thurnher sei bestenfalls ein "digital immigrant", gehöre der Alterskohorte der Besitzstandwahrer an, benehme sich wie ein mittelalterlicher Fürst, sei Modernisierungsverlierer und darüberhinaus noch ein rüpelhafter Chefredakteur, der seine Mitarbeiter öffentlich vorführe. Damit sei klar, er ist für den "Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für freie Internetminuten" nominiert.

Doch reflexartig (hallo Meerschweinchen!) halte ich kurz inne: Wer wird den da jetzt gerade als Internetfeind Nr.1 von der Blogosphäre durch den Wolf gedreht? Armin Turnher, Faltergründer, einer der wenigen Querdenker des Landes, beinahe einziger Widerstandskämpfer gegen den Mediamilkomplex, beherzter Dagegenhalter gegen den Haiderpopulismus und noch einges mehr. Es muss ja nicht gleich die kollektive Beißhemmung, ob dieser Vita, ausbrechen - aber ein Blick auf die gesamte Person Armin Thurnher wäre schon gut, bevor man den Stab über ihm bricht.

Und vielleicht noch eines: Ich gönne Armin Thurnher die Rolle die man ihm in öffentlichen Diskurs zugesteht: Schützer des Qualitätsjournalismus. Dieses Prädikat hat er sich hart über Jahrzehnte erarbeitet - mit offenem Visier und authentisch in jedem einzelnen Leitartikel. Mag sein, dass da nun neue Opinionleader anstehen diese Funktion zu übernehmen. Der Generationenwechsel ist ja nahezu mit Händen zu greifen. Doch ich bleibe dabei, das ist trotzdem noch lange kein Grund dem Vorgänger solange auf die Archillesferse zu treten bis dieser nur mehr wild gestikulierend durch die publizistische Öffentlichkeit springt.

Die Botschaft ist einfach: Armin Thurnher kennt sich nicht aus mit dem Netz. Er soll auch solche Podien tunlichst meiden. Doch er ist weiterhin unverzichtbar, dort wo's um Print und Radio und TV geht. Auch ein Grund warum ich - als Jurymitglied - gegen eine Verleihung des "Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für freie Internetminuten" an Armin Thurnher bin.

Und übrigends gibts für die Meinungsführer/innen der "digital natives" ohnehin auch noch ein paar andere Battlegrounds: Wie wäre es mit Netzneutralität.